Basalratentest
A. Einleitung
Viele Diabetiker befinden sich in einer modernen Basis-Bolus-Therapie, die sich in der Regel als eine vollständige, intensivierte Insulin-Therapie versteht. Die Grundversorgung des Körpers über 24 Stunden wird durch ein langwirkendes Basalinsulin oder die biorhythmisch getaktete Basalrate einer Pumpe hergestellt. Konkrete Mahlzeiten und Korrekturen werden über kurz- und schnellwirkende Boli (durch ein Bolus-Insulin bzw. die Bolusabgabe einer Pumpe) abgedeckt. Die Basis ist entscheidend für den Erfolg, denn nur mit einer korrekt eingestellten Grundversorgung können auch die Bolus-Abgaben treffend vorgenommen werden. Mit einem Basalratentest kann ein Diabetiker überprüfen, ob die aktuelle Basis zielführend umgesetzt wird. Einfach gesagt: ein Basalratentest soll zeigen, ob das verabreichte Basalinsulin oder die Basalrate einer Insulinpumpe richtig eingestellt sind.
B. Anleitung zum Basalratentest (Vorschlag)
Die Analyse der Basalrate sollte an Tagen ohne besondere Krankheiten (z.B. grippale Infekte), Stress oder außergewöhnliche Aktivitäten durchgeführt werden. Bei Frauen ist u.U. die Periode ein Ausschlusskriterium. Etwa 24 h vor und während des Tests sollte auf Alkoholgenuss und Sport verzichtet werden. Auch vorherige Hypoglykämien können sich verfälschend auswirken.
Da die Verstoffwechslung einer vorherigen Mahlzeit, inkl. des hierfür eingesetzten Bolusinsulins, keinen Einfluss nehmen sollte, ist unter Analoga oft ein Abstand von etwa 5 h sinnvoll (bei Humaninsulinen etwas länger). Die letzte reguläre Hauptmahlzeit sollte aber auch nicht länger als 10 bis 12 h zurückliegen. Empfehlenswert ist eine moderate Gestaltung der letzten Mahlzeit mit eher geringen Fett- und Eiweißanteilen. Während des Basalratentests müssen auch die Effekte von Getränken ausgeschlossen sein. Da bei einzelnen Personen u.a. ein relevanter Einfluss von Koffein auf andere Hormone (mit potenziellen Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel) zu vermuten ist, kann schon ein Kaffee oder ein koffeinhaltiges Light-Getränk zu Verfälschungen führen. Ein „sicheres“ Getränk ist Wasser.
Der Blut- bzw. Gewebezucker sollte sich zu Beginn des Basalratentests im Zielbereich (ohne vorherige Unterzuckerungen) befinden. Man kann hier meistens eine akzeptable Spanne von 5,0-9,0 mmol/l (90-162 mg/dl) ansetzen - bei ambitionierteren Therapiezielen in der oberen Begrenzung auch tiefer. Im Körper darf sich auch kein aktiv wirkendes Korrekturinsulin befinden.
Es bewähren sich einzelne Tests etwa von 4 bis 11 Uhr (um typische Anstiege am Morgen zu identifizieren), von 11 bis 17 Uhr und von 17 bis 23 Uhr an verschiedenen Tagen. Ein Komplett-Test über 24 h ist nicht zielführend, da der Körper auf den Nahrungsmangel u.a. durch die Freisetzung gespeicherter Glucose reagieren wird. Auch in der Nacht können Messungen notwendig sein, um versteckte Hypoglykämien zu identifizieren (Somogyi-Effekt). Am Tag sollten stündlich (mindestens alle 2 h) Messungen des Blutzuckers durchgeführt werden, damit ein Verlaufsprofil erstellt werden kann. Die Benutzung eines kontinuierlichen Messgeräts eliminiert den Aufwand und liefert über die grafischen Darstellungen besonders aufschlussreiche Daten.
C. Analyse des Ergebnisses
Die basele Versorgung des Körpers mit Insulin soll den Bedarf so abdecken, dass ein gleichbleibendes (konstantes) Niveau des Blutzuckerspiegels erhalten bleibt. In einem Diagramm, das die Höhe des Blutzuckers in einem bestimmten Zeitraum widerspiegelt, sollte also ein möglichst waagerechter Verlauf sichtbar sein. Eine ansteigende Kurve (also ein sich erhöhender Blutzuckerspiegel) deutet darauf hin, dass ein Mangel an Insulin besteht. Eine absinkende Kurve (also ein fallender Blutzuckerspiegel) zeigt, dass sich zu viel Insulin im Körper befindet. Optimal interpretierbare Grafiken werden von kontinuierlich messenden Geräten (rtCGM, FGM) ausgegeben. Bei klassischen Messungen des Blutzuckerspiegels mit Einzelwerten kann es sinnvoll sein, ein solches Diagramm per Hand zu skizzieren.
Im Beispiel BRT-01 ist ein annähernd gleichbleibender Verlauf der Glucosekonzentration von 11 - 17 Uhr zu sehen. Die Basalrate bzw. Basaldosis hat ein stabiles Niveau erzeugt. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Basalversorgung im getesteten Zeitraum gut eingestellt war.
Auch im Beispiel BRT-02 sieht man einen gleichbleibenden Verlauf der Gluceskonzentration. Die absoluten Messwerte während und am Ende des Tests zeigen mit 9,5 mmol/l [171 mg/dl] jedoch eine etwas erhöhte Lage. Die Messwerte erwecken den falschen Anschein, dass hier ein Optimierungsbedarf besteht. Der absolute (hier etwas erhöhte) Messwert ist für den Erfolg eines Basalratentests aber nicht entscheidend. Auch hier hat die Basalversorgung ein stabiles Niveau des Blutzuckerspiegels erzielt. Die Absenkung dieses Niveaus liegt im Aufgabenbereich des Bolusinsulins (z.B. durch eine Korrektur oder durch eine verbesserte Abdeckung der Nahrungsaufnahmen).Die im Test beobachtete Basalrate bw. Basaldosis kann mithin als gut bewertet werden, obwohl die absoluten Messwerte erhöht sind.
Das Beispiel BRT-03 zeigt einen signifikanten Anstieg der Glucosekonzentration im betrachteten Zeitraum des Basalratentests. Aus dem sich kontinuierlich erhöhenden Blutzuckerspiegel kann abgeleitet werden, dass die basale Grundversorgung nicht ausreichte, um ein stabiles Niveau zu erzielen. Die Basalrate bzw. Basaldosis müsste also tendenziell erhöht werden, damit der Anstieg des Blutzuckers vermieden wird. Der absolute Messwert zum Ende des Basalratentests von hier 8,5 mmol/l [153 mg/dl] hat keine entscheidende Bedeutung für die Interpretation.
Im Beispiel BRT-04 wird eine signifikant absinkende Glucosekonzentration beobachtet. Aus dem kontinuierlich fallenden Blutzuckerspiegel kann abgeleitet werden, dass die basale Grundversorgung im Zeitraum des Tests zu hoch eingestellt war (also ein Überschuss an Insulin bestand). Die Basalrate bzw. Basaldosis müsste dementsprechend verringert werden, damit ein stabiles Niveau des Blutzuckers erreicht wird. Der absolute Messwert zum Ende des Basalratentests von hier 4,7 mmol/l [85 mg/dl] hat keine entscheidende Bedeutung für die Interpretation.
Erfahrene, geschulte Diabetiker können die Einstellung ihrer Basalversorgung (in Basis-Bolus-Therapien mit Pen oder Insulinpumpe) selbstständig vornehmen. Zielführend sind oftmals vorsichtige Änderungen der Insulindosen in einem Bereich von 5-10%. In einem Trial & Error (Versuch und Irrtum) Prozess kann mit weiteren Basalratentests geprüft werden, ob die Dosisänderungen zu einem Erfolg geführt haben. Neben den absoluten Insulinmengen haben aber auch die Taktungen der Pumpe oder die Spritzzeitpunkte mit dem Pen (je nach Typ und Profil der langwirkenden Insuline) einen Einfluss auf die Qualität der Basalversorgung.